AG Digitaler Wandel Digitalisierung

Digitaler Wandel: Schlechte Noten für deutsche Politiker

Digitalisierung ist eines der beliebtesten Schlagworte dieser Tage, wenn man als Politiker mal wieder „in aller Munde“ sein und den Anschein erwecken möchte, man habe den Finger am Puls der Zeit. Doch trauen die Menschen den Politikern das auch wirklich zu? Nicht, wenn man eine Umfrage des Allensbach Instituts betrachtet, auf die sich u.A. Zeit Online in ihrem Artikel bezieht.
Laut dem Artikel trauen die Befragten nur den wenigsten Politikern wirklich zu, im Bereich Digitalisierung gute Arbeit zu leisten. Es mangelt ihnen an Authentizität und Kompetenz. Eine Einschätzung, die bei näherer Betrachtung nicht so leicht von der Hand zu weisen ist.

Während Deutschland in manchen Bereichen durchaus vorne mitspielen kann, hinken wir in anderen Bereichen weit hinterher. Das Wirtschaftswunder und die Zeitabschnitte des Aufschwungs und der Erneuerung kamen uns da zunächst zu Gute: Deutschland hatte lange Zeit eine gute, solide technische Infrastruktur. Leider hat man ab einem gewissen Punkt versäumt, weiterhin mit der Zeit zu gehen und zeitnah und sinnvoll in Innovation und Fortschritt zu investieren. Man ruhte sich auf der vermeintlich guten Infrastruktur aus und bemerkte nicht, wie sich alle Anderen um uns herum, in unterschiedlichem Ausmaß und Tempo, an uns „vorbeischlichen“. Mittlerweile lassen uns viele unserer Nachbarländer, diesen Punkt betreffend, weit zurück.

Breitbandausbau

Es gibt ganze Landstriche, in denen man nur davon träumen kann, einen Downstream von 50 MBit/s zu erreichen. Laut Statistiken eines weit verbreiteten Internetgeschwindigkeitstests (Ookla) liegt die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit in Deutschland bei ca. 68 MBit/s. Eine Zahl, die nur aufgrund einiger weniger gut angebundener Haushalte mit Glasfaser oder Kabel überhaupt so hoch ist; die Mehrheit liegt oft weit darunter. Dennoch liegen wir damit im weltweiten Vergleich auf Platz 30 und noch hinter Belgien, Dänemark, Rumänien, Großbritannien, Tschechien, Finnland und der Schweiz. Beim mobilen Internet schneiden wir mit Platz 43 und nur rund 31 MBit/s sogar noch schlechter ab.

Hier müssen dringend Anreize geschaffen werden, das Breitbandnetz auszubauen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es nicht unerheblich, ob man hier richtig schnelles Internet bekommen kann oder nicht. Gerade für Softwarefirmen, Dienstleister und Unternehmen, die große Mengen an Daten zwischen ihren einzelnen Standorten bewegen müssen, sind schnelle Datenverbindungen wichtig. Den Grundstein hierzu wollte bereits Helmut Schmidt in den frühen 80er Jahren legen; Deutschland hätte bereits vor Jahren ein gut ausgebautes Glasfasernetz und einen Vorsprung beim Thema schnelle Datenverbindungen haben können. Verhindert wurde das dann leider von der Nachfolgeregierung unter Helmut Kohl, der lieber das Kabelfernsehen unterstützen wollte. Deutschland hätte, so der damalige 30-Jahres Plan, zum Jahr 2015 hin flächendeckend mit Glasfaser versorgt und auch damit noch der absolute Vorreiter bei der Versorgung mit Glasfaser sein können. Aus konservativem, politischem Kalkül heraus wurde dies jedoch verhindert und heute stehen wir mit nur rund ca. 2.7 Millionen an das Glasfasernetz angeschlossenen Haushalten so gut wie am unteren Ende der Liste im europäischen Vergleich, weil der damaligen Regierung der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu viel „linke Schlagseite“ hatte. Ein Paradebeispiel dafür, wie ideologische Politik anstelle einer lösungsorientierten, pragmatischen Sachpolitik den Fortschritt eklatant einbremsen kann. Im Nachhinein betrachtet hat uns die Regierung Kohl mit diesem Vorgehen enorm geschadet.

Mobile Datennetze

Auch am Ausbau der Mobilen Datennetze muss gearbeitet werden. In weiten Teilen Deutschlands kann man froh sein, Edge zu bekommen. Nicht wenige Menschen müssen heutzutage über lange Strecken mit der Bahn pendeln und erledigen nicht selten während dieser Zeit Arbeiten unterwegs. Viele davon benötigen hierfür eine Internetverbindung, die stabil und hochwertig ist; stattdessen bekommen sie bestenfalls Edge in fragwürdiger Stabilität. Auch bieten die deutschen Netze LTE nicht in der theoretisch möglichen Bandbreite. Mit LTE CAT18 wären theoretisch bis zu 1200 MBit/s möglich. Laut dem Mobilanbieter Vodafone sind je nach Vertrag bis zu 350 MBit/s möglich. Realistisch jedoch bekommt man, je nach Netzauslastung, eher um die 45-47 MBit/s. Sicher, wir benötigen kein 5G an jeder Milchkanne. Solange wir jedoch noch nicht einmal zuverlässig und stabil 4G/LTE garantieren können, sind solche Aussagen an Lächerlichkeit kaum zu überbieten und wettbewerbsfähig sind wir damit auch nicht.

eGovernment

Ein weiterer Punkt, an dem wir in Deutschland Nachholbedarf haben, ist das sogenannte eGovernment. Hier stehen wir noch ganz am Anfang, während beispielsweise die Tschechische Republik auf dem Gebiet ein absoluter Vorreiter ist. Unser Nachbar Frankreich kommuniziert bereits völlig problemlos via EMail mit seinen Bürgern. Eine Mehrzahl der Behördenangelegenheiten kann in Frankreich problemlos per EMail oder über eigens hierfür bereitgestellte Webschnittstellen einzelner Behörden erledigt werden. In Österreich gibt es ebenfalls Dutzende Dienste und eGovernment Anwendungen, mit denen man sich viele Behördengänge teilweise oder komplett sparen und online, bequem von zu Hause aus, erledigen kann. Währenddessen gibt es in Deutschland immer noch Behörden, die auf EMails nicht antworten und bei denen ein Besuch in der Behörde vor Ort, selbst für simpelste Fragen oder Vorgänge, unausweichlich ist. Wie wir erst kürzlich berichteten, stagniert die Entwicklung in Deutschland diesbezüglich. Es mutet da beinahe schon wie Hohn an, wenn sich beispielsweise Niedersachsen dafür feiert, nun endlich das System der Behördentelefonnummer 115 einzuführen. Mit der Zeit gehen und auf neue Herausforderungen vorbereitet zu sein, sieht anders aus.
Deutschland ist hier erschreckend weit zurückgefallen und geradezu rückständig. eGovernment ist nicht nur bequemer und flexibler für die Menschen, es würde auch die unendlichen Papierberge, in denen deutsche Behörden geradezu ertrinken, verringern.

Fazit

Wir PIRATEN sehen auch, dass die Bundesregierung in dem Bereich keinen guten Job macht. Es mangelt in der Tat an Kompetenz und vorallem auch an Glaubhaftigkeit. Den aktuellen Zuständigen kauft man den „technikaffinen Nerd“ schlicht und ergreifend nicht ab und damit fehlt bereits eine der wichtigsten Grundlagen: wie soll jemand, dem man die Nutzung neuer Technologien und Möglichkeiten nicht zutraut, in dem Bereich für Fortschritt und Bewegung sorgen?
Am Ehesten versinnbildlicht wird dies vielleicht noch durch die folgenden Zahlen: noch 2017 verbrauchten die Bundesregierung und die Bundesverwaltung 1,255 Milliarden Blatt Papier. Anfang 2019 noch titelte die Tagesschau, dass die Bundesregierung jährlich rund 6000 Tonnen verbrauche. Aufeinander gestapelt ergäbe dies einen Turm von beinahe 190 Kilometern Höhe. Wenn Seehofer von der Gamerszene redet oder Dorothee Bär auf hippe Gamerin macht und die Reaktion mehrheitlich Fremdscham oder Gelächter ist, sagt das schon viel aus.

PIRATEN haben keine Berührungsängste mit neuen Technologien und der digitalen Welt. Wir fordern schon seit Langem einen vernünftigen, sicheren Umgang mit Nutzerdaten, mehr Privatsphäre, aber eben auch die Vereinfachung und Vereinheitlichung behördlicher Vorgänge unter Zuhilfenahme neuer, fortschrittlicher Technologien. Die Bundesregierung und die etablierten Parteien sind auf dem Gebiet in der Tat immer noch im Neuland. Schade für die Politik, schade für die Wirtschaft und vor allem schade für die Menschen.

0 comments on “Digitaler Wandel: Schlechte Noten für deutsche Politiker

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert