Kolumne Netzpolitik

Mit sogenannten

Warum das Design im Internet nicht wegen „Dark Patterns“ reguliert werden sollte

Dieser Beitrag ist die Position eines AG-Mitglieds und keine offizielle Parteimeinung.

Während Europa über die letzten Jahre immer mehr die Rechte von Verbrauchern gestärkt und den Datenschutz ausgebaut hat, haben sich findige Webseitenbetreiber und -designer immer wieder Mittel und Wege ausgedacht, um Ihr Geschäftsmodell, möglichst in der aktuellen Form, weiter zu Betreiben.

Dark Patterns“ nennt die „Stiftung neue Verantwortung“ diese Verleitungen, die den Verbraucher dazu bringen sollen, doch lieber den grünen Button zur Akzeptanz von Tracking Cookies zu drücken, statt den grauen Button, der diese ablehnt oder feingranulare Einstellungen zulässt.

Verständlicherweise ärgert sich der, sonst eigentlich mündige und selbstbestimmte Internetnutzer auch, wenn er schon wieder aus versehen auf eine Werbeanzeige statt einem Suchergebnis geklickt hat, weil diese geschickt zwischen seinen eigentlichen Zielen plaziert wurde.

Wie soll man also diese dunklen Praktiken zukünftig eindämmen?

Ganz klar: Neue Regulierungen!

In dem Artikel „Wie Politik und Behörden gegen irreführendes Design vorgehen können beschreiben beispielsweise die Autoren von netzpolitik.org, „dass europäische Regulierungen für den digitalen Raum bisher kaum Kriterien zum digitalen Produkt- und Oberflächendesign vorgeben“ – und diese Lücke dementsprechend geschlossen werden sollte.

Genau an diesem Punkt stellt sich bei mir das Abwägen ein:

Potentielle Manipulation des Webseitennutzers, der die Freiheit hat, darauf reinzufallen (oder auch nicht) vs. noch mehr Regulierung.

Und in diesem Fall schlägt mein Pendel ganz klar gegen weitere Regulierung und stattdessen für mehr Aufklärung und Achtsamkeit aus.

Bereits heute entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, Ihren Content bzw. Ihre Waren auf Plattformen wie Facebook, Youtube, Twitch oder Amazon anzubieten. Grund dafür sind die zahlreichen Spielregeln im Netz, die gerade für (z.T. nicht IT-affine) Privatpersonen oder kleine Unternehmen schier überwältigend erscheinen.

Bevor sich Max Muster / Lieschen Müller / … also eine eigene Website aufbaut, dafür eine DSGVO-konforme Datenschutzerklärung aufsetzt, einen Auftragsverarbeitungsvertrag mit seinem Hoster abschließt, sein Impressum nach TMG erstellt und dort all seine privaten Daten inklusive Adresse und Telefonnumer für die ganze Welt preisgibt (es sei denn, er besitzt zufälligerweise eine juristische Person), wird lieber schnell ein „anonymer“ Account bei einer Blogging- oder Social Media-Plattform erstellt.

Dort muss im übrigen auch nicht zwingend damit gerechnet werden, eine Abmahnung zu bekommen und eine Unterlassungserklärung abzugeben, wenn aus versehen ein Bild von einer kostenlosen Bilddatenbank verwendet wird, das dort gar nicht hätte angeboten werden dürfen: In den meisten Fällen kümmert sich die Plattform darum, dass der Blogbeitrag oder das Video einfach gesperrt wird und informiert darüber, dass das Bild auszutauschen ist. Einfach. Unkompliziert. Und solange es in einem gewissen Rahmen bleibt, sogar kostenfrei.

Naja, eigentlich eher vermeintlich kostenfrei, denn auch diese haben einen Preis:

Sie bekommen die Kontrolle über den Content, die Bilder, Daten und zum Teil sogar über das Kerngeschäft (z.B. dann, wenn der Vertrieb und die Logistik ausschließlich über Amazon oder ebay läuft).

Trotzdem gibt es auch heute noch ein paar mutige Menschen, die sich durch all diese Auflagen arbeiten um am Ende ihre ganz eigene Website im Netz anzubieten. Diesen fleißigen Optimisten nun einen Katalog vorzusetzen, wann ein Button grün und wann grau sein darf, ob sie schreiben dürfen, dass sich gerade auch noch 10 andere Besucher die aktuelle Seite anschauen oder einen Countdown bereitstellen dürfen, der anzeigt, wie lange das Angebot gilt, ist in meinen Augen eindeutig zu viel des Guten.

Um alle Fälle von „Dark Patterns“ abzubilden müsste ein riesiges Regelwerk erzeugt werden, welches einen Kampf Regulierung vs. kreative Designer provoziert. Und wie einfallsreich diese Branchen sein können, sieht man ja am täglich Wettrüsten Ad-Blocker vs. Werbeindustrie, das bisher letztendlich für alle Internetnutzer zum Nachteil ist.

Zusätzlich wird von den Autoren des o.g. Artikels gefordert, dass es unerheblich sei, „ob Nutzer:innen bewusst manipuliert werden sollen oder Entscheidungen versehentlich gelenkt werden“.

Dementsprechend würde bereits ein Farbtupfer auf dem laut Regelwerk „falschen“ Button ausreichen, um zumindest mal abgemahnt zu werden – unabhängig von der Absicht dahinter. Gerade der Bereich (Website-) Design ist allerdings so subjektiv, künstlerisch und kreativ, dass die Kriterien niemals automatisiert geprüft werden könnten. Dementsprechend werden selbst die „individuellen“ Websiten zu uniformen Abbildern anderer, da sich aufgrund der ständigen rechtsunsicherheit mittelfristig ein paar wenige vorgefertigte und geprüfte Themes durchsetzen.

Die Vielfalt von Meinungen und Angeboten sind das, was das Internet zu dem gemacht haben, was wir heute kennen. Jedes Angebot, das weniger veröffentlicht wird, ist ein Verlust für die gesamte Menschheit!

Treiben wir also nicht noch mehr Menschen, die wir durch unsere Regularien beschützen wollen, in die Arme von Plattformen, von denen sie dann in allen Belangen – vom Datenschutz bis zur Lizenzierung des selbst erzeugten Contents – komplett abhängig sind.

Ansonsten haben wir bald kein freies Internet mehr, sondern nur noch ein modernes Lehnswesen – mit Plattformen wie Google, Facebook und Amazon an der Spitze und vielen Usern, die von deren Gunst abhängig sind.

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